Donnerstag, 8. Juni 2017

Tag vier und fünf............



Tag vier……..


…..die Anmerkung der Entführung lasse ich heute entfallen. Ich bin hier und muss so gut ich es vermag damit leben, wie es jetzt ist.
Zudem schmerzen mir Beine und Füße. Wir waren gestern den ganzen Tag über unterwegs. Aber darüber berichte ich….an einem späteren Tag. Heute fasse ich  zunächst einmal Tag „vier“ und „fünf“ zusammen. Damit die Berichte mit der Wirklichkeit so allmählich wieder Synchronizität erreicht.

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Obwohl ich doch überaus ruhelos war, schlief ich dann schlussendlich gegen drei Uhr ein.
Sex gab es keinen. Weder am Abend noch am Morgen. Sasha bedrängte mich gleichwohl nicht. Benahm sich aber sonst unverändert. Nicht böse oder gereizt. Nein. Doch eher liebevoll, sanft und freundlich.
Während dieses ganzen Theaters am Tag zuvor, als ich mit Sashas Eltern sprach, rief mich Gunnar an. Ich hielt die Unterhaltung kurz. Er konnte mir ohnehin nicht helfen. Und im Grunde war ich auf ihn wütend. Gab ihm zu verstehen, dass er sich um sein Kind und deren Mutter kümmern soll, die ihm doch ohnehin wichtiger sind, als ich es bin. Sie wären schließlich eine kleine Familie und ICH nur das fünfte Rad am Wagen. Gunnar wollte noch etwas erwidern, ich legte jedoch auf. Er rief nicht noch einmal an. Und ICH ließ es ebenso dabei bewenden.

An diesem Tag war site seeing angesagt. Ich wusste nicht, wo mich Sasha hinbringen wird. In jedem Fall hatte er schlussendlich versucht,  mich so nah wie möglich an alles heran zu fahren, damit ICH nicht so viel laufen muss. Was viel zu anstrengend gewesen wäre. Dennoch war der Ausflug in die Altstadt für mich mit Strapazen verbunden. Wir dehnten ihn nicht allzu lange aus. Obgleich es da so viel zu sehen gab.  Und es war heiß. Um die dreißig Grad. Genauso wie am nächsten. Blauer Himmel und Sonnenschein.
Ich könnte hier natürlich über alles was ich sah berichten. Allerdings erscheint mir dies doch ein wenig mühevoll. Wer mag, kann googeln. Jerusalem -  Altstadt. Sie ist der geographische Mittelpunkt der größten Stadt Israels und von einem riesigen Mauerring umgeben, an welchem man entlang laufen kann. Die Altstadt ist in Viertel aufgeteilt. Armenisch, Christlich, Muslimisch und Jüdisch. Acht Tore führen hinein. Der Tempelberg mit dem Felsendom gehört nicht dazu. Er steht „separat“.  An der Klagemauer geht ein unterirdischer Tunnel. Sehr interessant. Usw….usf….
In einem Souvenirgeschäft kaufte mir Sasha ein Plüschtier. Ein Kamel mit der Sattel-Aufschrift Jerusalem, als Erinnerung, weil es mir so gut gefiel.
Am Abend ruhte ich aus. Es gab eine Lektion in Geschichte von Sasha über all das, was wir am Tag besichtig hatten.
Und erneut gingen wir sehr spät zu Bett. Es war gegen drei Uhr nachts. Sex inbegriffen.

Fortsetzung folgt………………………………



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Tag fünf………………




So allmählich normalisiert sich das Leben für mich. Was an sich schon erstaunlich ist. Und ich weiß, es liegt an mir. Merkwürdiger Weise vermag ich JETZT meine Sichtweise, meinen Standpunkt (zwangsweise) zu ändern. Denn hier in Jerusalem, in Israel zu sein, war, ist und bleibt für mich ein Novum. Genau genommen will ich nicht hier in diesem Land sein.


Wir schliefen lange. Beinahe bis zum Mittag.
Gegen zehn hatte es an der Tür geklopft. Es waren Saschas Eltern, die zu ihrer eigenen Tour aufbrechen und fragen wollten, ob wir sie begleiten. Ich hörte ihn es verneinen.
Nach dem Brunch war ein Ausflug zum Grab Davids geplant, wo wir uns nun doch mit Sashas Eltern trafen.
Dieses Grab wird von den Juden verehrt und ist auf dem christlichen Berg Zion, der etwas außerhalb liegt. Um diesen Ort wurde viel gekämpft. Kirchen zerstört und wieder aufgebaut. Eine Statue von König David gibt es dort ebenfalls. Ein russischer Bildhauer schuf sie zwischen 2007 und 2008. Der Zugang zum Gab Davids selbst ist für Männer und Frauen getrennt. Was bedeutete, dass ich mit Sashas Mutter (gehen musste) ging.
Tja nun, jede Religion benötigt offenbar ihre Relikte und Heiligtümer, zu denen hin gepilgert und die verehrt werden können. Ob sie nun echt sind oder nicht, sei dahin gestellt. Hauptsache sie dienen ihrem Zweck.
Zurück zum Wagen liefen wir dann alle vier gemeinsam. Diese zehn Minuten hielten allerdings noch eine Überraschung bereit.
„Meine Eltern haben dir noch etwas zu sagen.“, begann Sasha das Happening einzuleiten.
Sein Vater sprach denn weiter. „Eigentlich ist unser und Sashas Name nicht Fliess. Er nahm ihn nur an, weil er unauffälliger war.“ – Für seinen Auftrag, nehme ich an! Und ich wartete darauf, wie nun sein richtiger Name lautete. Fragen allerdings, wollte ich nicht. Ich ließ Jakov einfach weiterreden. „Eigentlich wollten wir es dir erst später sagen, wenn wir in Tel Aviv angekommen sind.“
So allmählich wurde ich ungeduldig. WIE war denn nun der Name?
„Orlikow Galil Ben David ist unser richtiger Nachname. Ein Name, auf den wir stolz sind. Und er reicht weit in die Vergangenheit zurück. Aber als Sasha nach Schweden flog, um dich kennenzulernen, entschieden wir uns für Fliess. Das war viel einfacher für andere Leute. Fanden wir.“
Und nicht so verräterisch! Dachte ich mir so. Diese Leute wechselten ihre Namen offenbar des Öfteren. Wie es ihnen gerade passt. Das ist schon überaus erstaunlich. Und DAS ist zynisch gemeint.
Was sollte ich nun darauf erwidern. An diesem Ort hier schien (alles Verrückte) das alles so normal, sodass ich es schlicht und einfach hinnahm. Akzeptierte. Punkt. War es nicht gleich, wie Sasha nun wirklich hieß?
Sasha lächelte nur und nickte dazu. „Alles okay?“, fragte er dann.
Ich zuckte mit den Schultern. Was war schon eine Namensänderung gegen die Entführung in ein anderes Land? Eine Lappalie fast.
„DEIN Name, Blanc, bedeutet, unserer Auffassung nach, Weiß und ist jüdisch.“
„NEIN! Ist er nicht!“, rief ich aus und funkelte ihn an. „Mein Name hat NICHTS mit euch zu tun.“
Wir waren mittlerweile am Wagen angekommen. Sashas Eltern waren stehen geblieben und hatten sich zu uns umgedreht. Die beiden schauten ein wenig verstört, ob meiner Vehemenz.
„Blanc ist eine abgewandelte Form von dem jüdischen Namen Blank.“
„Niemals.“, widersetzte ich mich weiter. „Blanc ist Blanc. Und damit gut. Meine Familie besitzt die Nachweise der Ahnenlinie des dritten Reiches. Da ist nichts Jüdisches dabei. Punkt!“
Sasha räusperte sich nur und kratzte sich verlegen am Kinn. Seine Eltern wandten sich einfach ab. Dieses Thema wurde dann nicht mehr erwähnt.
Eine Frage blieb mir dennoch in meinem Hirne haften. Für WEN arbeitet Sasha denn nun eigentlich? Die „geheimen“ Leute? Oder eine andere politisch orientierte Organisation?


Auf dem Rückweg zum Hotel nahmen wir noch zu viert das Dinner ein. Im Hotel kamen wir schließlich gegen zehn Uhr abends an.
„Ruh‘ dich aus.“, sagte Sasha zu mir. „Ich möchte, dass wir heute früher zu Bett gehen. Denn Morgen fahren wir, der Hitze wegen, sehr zeitig in die Wüste zum Spiegeltor. Versuchen es noch einmal. Bist du bereit?“
WAS sollte ich darauf erwidern? Hatte ich überhaupt eine Wahl? Diese Leute würden mich doch niemals gehen lassen und nicht eher ruhen, bevor DAS nicht erledigt war.
„Darf ich dann wieder nach Hause?“, fragte ich ihn, ohne weiter auf die Nicht-Bereitschaft einzugehen.
„Ich dachte, wir fahren danach nach Tel Aviv. Es ist eine wunderbare, lebendige Stadt. Dort bin ich aufgewachsen. Ich möchte sie dir gerne zeigen, wenn du erlaubst.“ Er tat ein wenig zu höflich. Unterwürfig fast. Gut erzogen war er so wie so. Das wusste ich.
Nein, ich erlaube nicht! Hätte ich am aller liebsten zurückgegeben. Tat es aber nicht. Schwieg. Die Ereignisse der letzten Tage sind allesamt so derart überwältigend für mich, dass mein Hirn offenbar noch immer dabei ist sie ein-zu-ordnen. Bilder rasen vor meinem inneren Auge vorbei, welche mir tagsüber begegnen. In diesem Fall ist Schlaf für mich das wichtigste, um….das alles zu ver-arbeiten.
Umso tiefer ich in diese Religion eintauchen muss, umso mehr verabscheue ich sie. Obgleich es aus archäologischer Sicht doch einige Anreize für mich gibt, an diesem Ort. Die Faszination der alten Gebäude, der Landschaft, der Historie, hat mich tatsächlich erfasst.

Erst jetzt hatte ich bemerkt, dass mein iPhone im Grunde für mich uninteressant geworden war. Ich hatte es völlig vergessen, während des Ausfluges nicht dabei und nahm es nun zur Hand. Ein Anruf von Gunnar und einer von Mike. Gleich drei von Derek. Sollte ich zurück rufen? Es fehlte mir schlichtweg die Kraft dafür. Dennoch nahm ich mir vor, vielleicht Morgen anzurufen. Nur wann? Wir werden sehen. Dachte ich so.
Und NEIN. Ich habe mich (noch) nicht in Sasha verliebt. Keine Sorge. Selbst WENN es Anflüge dessen gab, drängte ich sie bisher willentlich zurück. Ich will nicht! Ich will nicht! Ich will nicht! Mag sein, er IST ein durchaus attraktiver Mann und ich mag ihn gern. Dennoch, für mich, NICHTS zum Verlieben.
Ich dacht noch einmal an Gunnar, als ich daran war ins Bett zu kriechen. Sollte ich ihn doch noch anrufen? Damit er weiß, ich denke an ihn. Aber vermutlich fühlt er das so wie so. (Hoffe ich!) In Schweden war es schließlich noch eine Stunde früher als hier. Zudem war mir mehr als bewusst, dass Alexa meine Abwesenheit nutzen würde, um sich fester denn je an Gunnars Seite zu schmiegen und festzukrallen.  Sie würde sicherlich versuchen mich zu verdrängen. Sich auszubreiten und mich rauszuwerfen aus Gunnars Gedanken und Leben. Gunnar gefiel es womöglich sogar SO, wie es jetzt war. Denn nun hatten sie alle drei die Möglichkeit, als kleine Familie zusammen zu leben. Ohne eine andere Frau, die stört.
Ich liebe dich.“, sagte Sasha aus dem Kalten heraus. Ich hatte nicht einmal bemerkt, dass er mich beobachtet hatte.
„Ich glaube dir nicht.“, erwiderte ich prompt. „Ich liebe dich nicht.“
„Und ICH glaube DIR nicht.“, antwortete mir Sasha darauf.



Fortsetzung folgt……………………..


Anmerkung:
Galil - Galil ist die hebräische Bezeichnung für Galiläa
Ben – bedeutet Sohn von….David in diesem Fall.