Sonntag, 25. Juni 2017

Von Stolz und Verweigerung



Zuweilen denke ich darüber nach, wie es sein muss „über zu laufen“, in das Lager der selbsternannten Elitären und ich hasse mich  für derlei Abstraktion!
Allerdings, WIE muss das Gefühl wohl sein, sich als „auserwählt“ zu wähnen? Den Stolz fördert es allemal. Sowie die Allmacht und das Erhabenheitsgefühl. Die Lizenz von Gott, zu tun was immer man will. Verlogen/doppelzüngig (an Echsen angelehnt, NICHT Schlangen!), heuchlerisch und intrigant zu sein. Jedoch, ist DAS etwa wünschenswert? Ist dies edel-mütig? Wohl kaum. (Würde ich hier an Karma glauben, WIE würde deren wohl aussehen?) WIE könnte ich je stolz darauf sein, alle anderen Menschen zu verachten und als Vieh anzusehen? Und noch viel Schlimmeres……
Nun gut, mag sein, da gäbe es sicherlich welche, die dem zweifelsohne entsprächen (Vieh). Jedoch Vieh ist noch viel menschlicher als radikalisierte, zum Hassen und Töten konditionierte Menschen (?). In diesem Fall hat man wohl Recht, mit dem Vieh. Denn sie sind noch weniger als das. In dieser Hinsicht erfahre ich von Sasha vollste Zustimmung. ER würde es so gerne sehen, dass ich mich endlich besänne…..und bekenne, zu DEM, was ich seiner Meinung nach bin. Jüdischer Abstammung. Jedoch dementiere ich diese vehement! Alldieweil mir der Gedanke regelrecht missfällt und widerstrebt. Tut mir leid.
Wenn ich mich so ungestüm und heftig verwehre, so impulsiv diskutiere, lacht Sasha stets.
„Es scheint dich offenbar zu amüsieren?“, werde ich dann noch wütender.
„Rea, du siehst es noch ein. Du wirst sehen. Und WAS wirfst du mir eigentlich vor? Ich krümme doch niemanden auch nur ein Haar. Bin freundlich und……“, an dieser Stelle grinst er mich an, ….“in dich verliebt.“
OMG!
„Leute wie du lassen tun.“, wagte ich mich vor. Obwohl ich wusste, dass meine Worte in diesem Zusammenhang beleidigend für ihn sein mussten.
„Leute wie du lassen ebenfalls TUN.“, konterte er.
„Jedoch nicht SO!“
„Wie SO?“
„Oh (!), DU weißt genau, was ich damit sagen will. Bösartiger Weise. Ich bin wohlwollend zu meinen Angestellten und immer für sie da. Ich verachte sie nicht. Im Grunde niemanden, der mir nichts Böses will. Außer Anhängern Frauen feindlicher Religionen…… selbstverständlich!“ Augenzwinker! „Sehe meine Angestellten nicht als…..du weißt schon was an.“ Hätte ich die Worte niedrig oder gewöhnlich ausgesprochen, wäre es eine Lüge gewesen. Dennoch sind sie für mich keine Gojims, sondern fühlende Wesen, die im Kern dasselbe sind, wie ich selbst. Energetische Geschöpfe des Göttlichen.
„Auch für mich sind selbst Tiere fühlende Wesen. Was denkst du eigentlich von mir?“, verteidigte er sich nun.
„Dass du mich anlügst.“, rutschte es mir in der Hitze der Debatte heraus. „Ich weiß, dass es bei euch penible Gesetze gibt, die das Essen betreffen. Das Schächten gehört ebenfalls dazu. Genau aus diesem Grund habe ich niemals Fleisch gegessen, als ich mit dir in Israel war. Wie könnte ich den Schmerz der Tiere aufnehmen, der ihnen angetan wird?? Ist euch DAS nicht bewusst??? Es ist Tierquälerei!!! Und die Muslime sind nicht besser als ihr.“
„Vergleiche UNS, vergleiche MICH nicht mit Muslimen!“, warf er nun doch etwas aufgebracht ein.
„Und steht es nicht im Widerspruch zu dem, zu eurem Gesetz, dass man keine Tiere essen soll, die qualvoll verenden, was schächten ist. WER hat sich solche Widersinnigkeiten ausgedacht? Fragezeichen?“, sprach ich schlicht und einfach weiter, weil es mir ein Anliegen war für die geschundenen Tiere zu sprechen.
„Wir haben diese Gesetze nun einmal zu erfüllen, weil G-tt es so will. Wir hinterfragen nicht den Sinn. Es steht so geschrieben in der Tora.“, sagte Sasha schließlich und wurde ernst.
Oh, oh!! Er bekennt sich nun doch erneut und uneingeschränkt (?) zum jüdischen Glauben. DAS nur einmal so als Feststellung. Genau genommen dachte ich, er sei moderat-er.
„Tja nun, hier isst du ebenso Speisen, die von Nichtjuden zubereitet sind. Ist dies nicht gleichermaßen eine Verletzung dieser Gesetze?“
„Willst du tatsächlich mehr darüber wissen?“, beantwortete Sasha nun meine Frage nicht mehr. Stattdessen schien er mir auszuweichen. „Offenbar kennst du dich doch bereits zur Genüge aus.“
„Nein. Ich habe ausschließlich etwas darüber gelesen. Nichts weiter.“
„Aus welchem Grund beschäftigst du dich dann überhaupt damit?“ Sashas Augen sprühten gereizte Funken. Jedoch hielt er sich noch immer zurück. Das sah ich in seinen Blick, der eine gewisse Ausweglosigkeit signalisierte. Denn tatsächlich zornig gedachte er sicherlich nicht zu werden.
„Ich bin der Meinung, dass man seine Feinde besser kennen sollte als seine Freunde.“
„OH! Bin ICH jetzt DEIN Feind?“ Er schnaufte. Legte die Stirn in Falten. Drehte ab und wieder zurück. „Ich dachte du liebst mich.“
Sasha lief unruhig hin und her. Eine kleine Pause entstand und dann redete er weiter. Kam erneut auf dieses für mich so unangenehme Thema zurück.
„Und nehme doch endlich an, was du bist.“, sagte er eindringlich-er. „Dann wäre es für alle leichter.“
Ich stutze. „WER sind ALLE?“
„Für mich, für meine Eltern und vor allem für dich selbst.“
„Nein. Verdammt noch mal!“, fauchte ich ihn an. „Ich besitze Papiere, die beweisen, dass ich keine……“
„WAS beweisen sie denn?“, Sasha hatte mir schlichtweg das Wort abgeschnitten. „Möglicherweise sind sie gefälscht, sodass deine Familie im dritten Reich damit überleben konnte. Hast du daran schon einmal gedacht?“
„Du Lügner! Du manipulierst mich doch!“ Nun war es in der Tat genug!!! Ich war so derart zornig, dass ich ihn hätte ohrfeigen können. WAS dachte ER sich nur? Meine Ahnen waren doch keine Pharisäer oder Urkundenfälscher! Eine Unmöglichkeit! Man stand doch schließlich zu DEM, was man ist und war stolz darauf germanischer Herkunft zu sein.
Sasha lächelte nun, als wäre ihm eine Genugtuung widerfahren. Und ich wusste, er hatte in meinem Kopf gelesen was ich dachte. WIE konnte ich nur noch einem Mann begegnen, der dies beherrscht? Eigenartig! Ich muss irgendetwas an mir haben, was für Männer dieses Schlages anziehend wirkt.
„So wie DU stolz darauf bist, vermeintlich germanischer Abstammung zu sein, bin auch ICH es…..“
„…..dich von Gott als auserwählt zu wähnen.“, war ich es nun gewesen, die ihn nicht ausreden ließ und seinen Satz beendete.
Er lachte. „Fühlst du es nicht?“
„WAS?“
„Du bist vom gleichen Schlag, vom gleichen Stamm wie ich!“
„Mag sein, dass ich gleichermaßen eine gute Kinderstube aufzuweisen habe und mir das Erhabene, Majestätische und Gebieterische im Blute liegt, in den mitgegebenen Genen so zu sagen. Dennoch geht es MIR NICHT um ein Glaubensgerüst und deren einzuhaltende Regeln, die ich vehement befolgen muss und auf welches ich mein Leben, mein Sein in dieser Welt aufzubauen gedenke. Ich bin hinein geboren in das Herz der germanischen Welt mit einem druidischen Kelten als Mann.“
„Na dann passt doch alles für dich.“ Sasha war sauer. Gunnar hätte ich in diesem Zusammenhang besser NICHT erwähnen sollen. Oha!
Betretene Stille herrschte nun. Womöglich war ich doch ein wenig über das Ziel hinaus geschossen.
Es war eine so unsägliche Diskussion, die an den Nerven zerrte. Hin und her gerissen zwischen Wissensdurst und Ablehnung. Aus Sashas Sicht war es wohl viel mehr der Drahtseilakt zwischen Liebe und Zorn.
Angesichts dieser Debatte gab es keine Intimitäten. Weder gestern  Abend noch heute Morgen. Und es wurde selbstredend später als wir planten, mit dem Schlafengehen. Dafür wurde am Morgen ausgeschlafen bis zehn, wo wir umgehend zum Restaurant aufbrachen. Böse waren wir nicht mehr aufeinander. Sondern gingen doch eher wieder überaus liebevoll miteinander um.

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Gunnar hatte sich nicht mehr gemeldet. Ich vertraue jedoch seinem Wort und der Absicht, doch alsbald zurück zu mir zu kommen.

Als ich Derek heute Morgen sah, mit seiner Mutter Magdalena und diesem jungen Mädchen, wer immer sie auch ist, fühlte ich erstaunlicher Weise keine Liebe, sondern eher Erleichterung UND war stolz auf den Begleiter an meiner Seite. Sasha Orlikow Galil Ben David.
Dennoch ist es für mich noch immer eine recht eigenartige Vorstellung daran zu denken, zukünftig mit Sasha zusammen zu sein. Nein. Oh nein! Ich liebe meinen Mann.